Rest- und Sondermüll

Freitag, 21. März 2014

Romantik (von einst)

Weisst du, dass es Gummipuppen schon lange gab, ehe es Gummi gab?
Damals waren die Gummipuppen natürlich nicht aus Gummi. Ihre Körper enthielten vielmehr Sand und Holzwolle. Aus feiner Seide war die Haut, aus Pappmaché das Gesicht. Aber es gab sie, so wie es auch zur vorletzten Jahrhundertwende einsame Männer gab.
Ernst Fromm war einer von ihnen. Ein scheuer Junggeselle mit einer Hühnerbrust. Seit fast vier Jahren war er stolzer Besitzer von Magdhilde. Die beiden führten ein beschauliches, ruhiges Leben in Ernsts kleiner Mansardenwohnung.
Als Ernsts Kameraden reihum heirateten und eine Familie gründeten, beschloss auch Ernst, seine Magdhilde zu ehelichen.
Am Tag der Heirat war das Wetter trüb und regnerisch. Nach der Kirche goss es regelrecht, es regnete stärker und stärker.
Und weil Ernst den Regenschirm zu Hause vergessen hatte, wurde Magdhilde nässer und nässer und schwerer und schwerer.
Beim Brautkuss begrub sie ihn unter sich.
Ihre Ehe dauerte zehn glückliche Minuten, ehe der Tod sie schied.

Freitag, 27. Dezember 2013

Schöne Ferien!

Beschränken sich angebliche Offenheit und Toleranz der Vielgereisten gegenüber Andersartigkeit auf indigene Urvölker?

Sind Rucksack- und Individualreisende bei den Einheimischen tatsächlich beliebter als Massentouristen?

Was machen Herumreisende eigentlich den ganzen Tag, ausser sich durch wechselnde Gegenden fahren zu lassen?

Sieht man mehr, wenn man möglichst viele Orte besucht?

Wie konnte die Menschheit Jahrtausende ohne Urlaub und Ferienreisen überleben?

Darf man Ferien nicht mögen?

Montag, 2. Dezember 2013

So viele so müde

"Wie kann ein Einzelmensch allein
so mehrpersonig müde sein?"
"Ich soll dir das vor Augen führen?
Du Profi von uns vieren!
Es ja nicht verwunderlich:
Du zerrst von morgens früh
bis kurz vor Mitten in der Nacht,
alle auf die Bühne:
deine Ichs und Selbsts und Mirs
und deine Michs,
die du so gut behütest, pflegst und nährst.
Und dann lässt du sie kämpfen,
minutenlang und volle Stunden.
Das eine Ich will schlafen, doch
das andre Selbst springt auf uns sprintet
dem zweiten Mich davon.
Das andere Ich will nur gefallen
und wird vom trotzigen Mir
ständig torpediert.
Das dritte Selbst strebt nach den höchsten Weihen,
das erste Mich stellt ihm ein Bein.
Du zerrst dich selbst in eine Richtung
und möchtest doch in eine andre gehn.
Du schuftest an und mit und in dir
und trotzdem wird's nie reichen.
Du hältst die Latte extra hoch
und weisst genau, dass du sie niemals überspringen kannst.
Du hinterfragst dich, lässt dich auseinandernehmen
und den Bauplan hast du der Zeit nicht angepasst.
An deiner Stelle wäre ich auch komplett erledigt."
"Hm. Und wenn ich dann mal gestorben bin,
brauch ich ein Grab für circa zehn?"

Freitag, 1. November 2013

Alternativen

Wie praktisch, dass die Traurigkeit
stets eine Pellerine Wut in der Tasche hat:
schnell übergestülpt,
schützt sie vor Nässe aller Art.

Seit kurzem überlegt sich die Traurigkeit aber,
ob sie sich nicht besser einen Schirm Zorn zulegen sollte.
Vorgestern hat sie sich in der unförmigen Pellerine verfangen, so dass ihr vor lauter Wut die Tränen kamen.

Mit einem Schirm wäre sie elegant bedacht und könnte schlagen und stechen dazu.
Aber fiele er ihr aus der Hand, der gute Schirm Zorn,
sie stände da, bloss und im Regen.
(Hoffentlich ist sie aus Zucker.)

Dienstag, 29. Oktober 2013

Hammermässig!!

Der Hammer setzte seinen stahlharten Kopf durch:
Er haute den Bausatz
kurz und klein
und stakste
in den Satzbau.
Dort machte er sich breit
und Nägel mit Köpfen.

Hammer, oder?

Montag, 23. September 2013

Salz

Die Hand hielt
eine Salzbrezel.
Ein Glück,
suchten die Augen
die Stelle auf der Krume
mit den meisten Salzkörnern.
Denn während die Augen suchten,
liess sich ein Schmetterling auf der Hand nieder.
Er stellte die Flügel senkrecht,
als würde er die Ohren spitzen.
Langsam rollte er seinen feinen, feuchten Rüssel aus,
und berührte die Hand.
Er tastete, roch, leckte -
das Salz der Haut.
Dann rollte er seinen Rüssel wieder ein,
und legte die Flügel flach.
Jetzt sahen die Augen in eine Prärie,
in eine glutrote Wüste mit ockerorangen Gebirgszügen
und schwarzglänzenden Öllachen und zerfransten Küsten.
Der Schmetterling leckte erneut,
sein pelziger Leib bewegte sich kaum,
auch die Fühler schienen zu ruhen,
wahrscheinlich richtete er seinen Blick
nach innen.
Und dann schauten ihm die Augen nach,
wie er schnell davonflatterte
als wäre nichts gewesen.

Samstag, 7. September 2013

Was fährt durch's Haar und hat einen Beutel?

Ein Kämmguruh.

Montag, 2. September 2013

Aha-de-es

Meine Aufmerksamkeitspanne reicht nicht mal bis ans Ende eines sechssilbigen Wortes.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Ratgeber sind Brennholz

MachenSiesollten!
TuenSiemüssten!
WürdenSiehätten!
Lassen Sie zu! Lassen Sie los! Lassen Sie's!
Entspannen Sie!
Geniessen Sie!
Loshoppjetztsofort!
Seien Sie glücklichdankbarselig, seien Sie positiv!
Haben Sie Vertrauen, haben Sie Lust, haben Sie Mut!
Schauen Sie doch! Hören Sie doch! Hören Sie doch auf!
Denken Sie, denken Sie, denken Sie - aber nur Gutes!
Nur Gutes, nur Schönes, nur Lustiges!

SEIEN SIE FROH! LEBEN SIE! LIEBEN SIE!


Man könnte zur Abwechslung Seit an Seit an den Horizont schauen und stille sein.

Samstag, 4. Mai 2013

Schön war sie und gross

Eine Axt steckt tief
in ihrem amputierten Bein.
Sie liegt, wie sie dahingefallen,
gestern früh im Morgengrauen.

Rund um sie versammelt
stehen ihre nahen andern.
Die spreizen ihre Finger,
die Nägel giftiggrün lackiert.

Ein frecher Fuchs bebinkelt ihr die Krone.
Eine Königin ist besiegt, sie brennt in deinem Ofen.

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