Montag, 2. Dezember 2013

So viele so müde

"Wie kann ein Einzelmensch allein
so mehrpersonig müde sein?"
"Ich soll dir das vor Augen führen?
Du Profi von uns vieren!
Es ja nicht verwunderlich:
Du zerrst von morgens früh
bis kurz vor Mitten in der Nacht,
alle auf die Bühne:
deine Ichs und Selbsts und Mirs
und deine Michs,
die du so gut behütest, pflegst und nährst.
Und dann lässt du sie kämpfen,
minutenlang und volle Stunden.
Das eine Ich will schlafen, doch
das andre Selbst springt auf uns sprintet
dem zweiten Mich davon.
Das andere Ich will nur gefallen
und wird vom trotzigen Mir
ständig torpediert.
Das dritte Selbst strebt nach den höchsten Weihen,
das erste Mich stellt ihm ein Bein.
Du zerrst dich selbst in eine Richtung
und möchtest doch in eine andre gehn.
Du schuftest an und mit und in dir
und trotzdem wird's nie reichen.
Du hältst die Latte extra hoch
und weisst genau, dass du sie niemals überspringen kannst.
Du hinterfragst dich, lässt dich auseinandernehmen
und den Bauplan hast du der Zeit nicht angepasst.
An deiner Stelle wäre ich auch komplett erledigt."
"Hm. Und wenn ich dann mal gestorben bin,
brauch ich ein Grab für circa zehn?"

Montag, 25. November 2013

Vor dem himmlischen Katzentürchen (1)

"Heiho, auch hier?"
"Grad angekommen, ja. Kennst du dich aus?"
"Nö. Wollen wir mal klopfen?"
"Besser kratzen!"
Die Katzen kratzen, das Türchen öffnet sich.
"Sieh an, sieh an. Wieder zwei Streuner, die Einlass begehren. Aber erst müsst ihr an Katerpater Petrus vorbeikommen!"
"Wir täten schon gerne rein..."
"Nun, erst bitte die Sterbeurkunde."
"Moment...voilà, hier: die Einschläferungsbestätigung, die Rechnung fürs Tierkrematorium und die Schadensersatzklage an den Autofahrer, der mir die Unterhälfte ermatscht hat."
"Wohl, wohl. Sieht gut aus. Scheinst ein geliebtes Tierchen gewesen zu sein."
"Schmeicheln beherrsche ich aus dem Effeff!"
"Nun, dann rein mit mir. 345. Wolke. Triangelspieler. Dem Gott ins Ohr, alle fünf Stunden."
"Danke, Paterkater Petrus."
"So, und jetzt zu dir. Die Urkunden bitte!"
"Ich hab keine...."
"Nix? Um als überzählige Bauernhofkatze ins Güllenloch geworfen zu werden, bist du aber zu jung!"
"Ich war eine Stadtkatze!"
"Ohne Urkunde unglaubwürdig. Todesursache?"
"Fünf Tage vermisst, dann hinter dem Tumbler im Keller verrottet."
"Aber dann müsste es Suchanzeigen geben, die zählen auch."
"Ähm..."
"JEDE vermisste Stadtkatze hat Suchanzeigen. Die meisten sogar mit Bild! Manche plastifiziert! Und mindestens jeweils fünfzig!"
"Ähm, nein."
"Wie, nein? Warst du so ein Biest, dass man froh um dein Abschleichen war?"
"Nein, aber ich zeig die Suchanzeigen sicher nicht vor!"
"Wieso? Wieso!"
"Mein Name ist oberpeinlich! Und das Foto! Grauenhaft! Von unten, als ich auf dem Glastisch stehe!"
"Ohne Name kein Türöffner."
"Couscous-Schmörli."
"Sch....scho schlimm auch wieder nicht, ähäm. Sind jetzt wirklich keine Anzeigen da?"
"Nein. Ich habe sie alle abgehängt, bis sie mit verteilen aufhörten. Ich blamiere mich ja nicht im ganzen Quartier mit diesem Peinonamen! Und dann bin ich in den Keller und liess mich in den Tod schütteln."
"Traurig, traurig. Aber Gott nimmt es genau. Er braucht Papiere, Dokumente....!"
"Habe nix."
"Dann tut's mir leid. Hier bitte in den Paternoster. Einfach aussteigen, wenn's wieder hochgehen würde."
"Och..."
"Halb so tragisch. Unten ist's warm und man wird, so das Gerücht, mit Viech oder Lump angeredet. Hier oben pflegt man sich beim Namen zu nennen."

Mittwoch, 20. November 2013

Im Büro (7)

"Nein, Milchreis zum Mittagessen muss ich wirklich nicht haben. Was gibt's beim Menu 1?"
"Lammhuft auf Tomaten-Bohnen-Beet."
"Beet? Das heisst doch Bett!"
"Was, wieso Bett?"
"Beet macht doch keinen Sinn! Du hast ja kein Tomatenbeet mit Erde und Dünger auf dem Teller! Ausserdem wachsen eh die meisten Tomaten hors-sol!"
"Ja, klar, aber ein Bett mit Kissen und Anzug macht mehr Sinn?"
"Nein, das Bett steht dafür, dass das Fleisch auf dem Gemüse liegt. Wie auf einem Bett halt. Bei einem Beet müssten die Bohnen stehen."
"Sähe bestimmt hübsch aus: jede Tomate gelocht und im Loch steckt eine Bohne."
"Das stelle ich mir relativ phallisch vor, so für ein Kantinenessen."
"Dann würd's ja zum Bett passen?"

Freitag, 8. November 2013

Vor dem Hintereingang (1)

"Hust!"
"Schnauf!"
"Na, erledigt?"
"Nönö, alles i-o! Und selbst?"
"Alles top, sowieso!"
"Siehst aber leicht müde aus...?"
"Och, geht schon. Hust. Du hingegen wirkst etwas mitgenommen...?"
"Ach, was. Schnauf. Machst grad eine Zigipause, hm?"
"Eher eine Pause für die Zigi, haha! Und du, kommst vom Joggen?"
"Sieht so aus, nicht?"
"Seufz..."
"Seufz..."
"Ist nicht so leicht, das Leben, oder?"
"Nö, es ist echt zum dauflaufen, meistens. Blöderweise habe ich entzündete Gelenke, tut voll weh."
"Bei mir husten dafür die Lungen, dass mir fast schwindelt."
"Hör halt auf zu schloten?"
"Hör du halt auf zu schlotern?"
"Das war jetzt pietätslos."
"Klar. Aber die Toten müssen sich schliesslich nicht mehr mit dem Leben herumschlagen, die darf man schon etwas piesacken."
"Auch wieder wahr. Über welchen Dahingegangenen wollen herziehen?"
"Mir egal. Hauptsache, wir müssen nicht über uns reden."
"Genau das wollte ich hören."

Dienstag, 5. November 2013

An der Kasse

"Sie können ihre Waren schon aufs Förderband legen....?"
"Nein!"
"Aber wieso denn nicht? Sie stehen hier mit zwei bald nicht mehr so tiefgefrorenen Poulets unter den Armen, zwei getrennten Viererjoghurts in den Händen und einer Cornflakesschachtel unter dem Kinn... Sie könnten sich wirklich erleichert!"
"Nein!"
"Warum nicht?"
"Der Warentrennbalken fehlt!"
"Ah... aber vor uns sind noch drei Kunden!"
"Der Warentrennbalken fehlt!"
"Aber der Warentrennbalken liegt vorn bei der Verkäuferin, ich komm da nicht hin!"
"Der Warentrennbalken fehlt!"
"Meinen Sie, meine Tomate würde ihr Poulet fressen? Oder meine Couscous ihre Joghurts anmachen? Oder ich würde am Ende ihre Einkäufe bezahlen?"
"Der Warentrenn- "
"Ja, ich weiss! Ääächz. So. Jetzt liegt er hier. Sie können abladen."
"Danke."
"Ah, Sie können ja noch etwas anderes sagen als 'der Warentrennbalken fehlt'!"
"Sagen Sie doch mal 'ich bin in den Wechseljahren und schwitze wie ein Schwein, die Poulet unter den Armen und die Joghurts in der Hand kühlen mich ab', wenn Sie eine Cornflakesschachtel unter dem Kinn eingeklemmt haben!"

Freitag, 1. November 2013

Alternativen

Wie praktisch, dass die Traurigkeit
stets eine Pellerine Wut in der Tasche hat:
schnell übergestülpt,
schützt sie vor Nässe aller Art.

Seit kurzem überlegt sich die Traurigkeit aber,
ob sie sich nicht besser einen Schirm Zorn zulegen sollte.
Vorgestern hat sie sich in der unförmigen Pellerine verfangen, so dass ihr vor lauter Wut die Tränen kamen.

Mit einem Schirm wäre sie elegant bedacht und könnte schlagen und stechen dazu.
Aber fiele er ihr aus der Hand, der gute Schirm Zorn,
sie stände da, bloss und im Regen.
(Hoffentlich ist sie aus Zucker.)

Dienstag, 29. Oktober 2013

Hammermässig!!

Der Hammer setzte seinen stahlharten Kopf durch:
Er haute den Bausatz
kurz und klein
und stakste
in den Satzbau.
Dort machte er sich breit
und Nägel mit Köpfen.

Hammer, oder?

Donnerstag, 17. Oktober 2013

...

"Und das Unterhaltungsprogramm? Seht ihr euch den ganzen Tag nur die Fische und den Sonnenuntergang an?"
"Unsinn, es ist ein Fun-Kreuzer! Mit richtig Prominenten, die singen und auftreten! Freue mich meega!"
"Ah, und wer tritt denn auf?"
"DJ Fezzi, zum Beispiel!"
"Hm. Kenn ich nicht. Sicher, ähm, fetzig?"
"Jahaa! Und Silvie Pfannenfahrt kommt auch!"
"Pfannenfahrt?"
"Ja! Die Blonde!"
"Meinst du nicht Kaffeefahrt?"
"Nein, Pfannenfahrt! Die trinkt sicher keinen Kaffee, so schön weissperlig wie ihre Zähne sind!"
"Aber Pfannenfahrt macht auf einer Kreuzfahrt überhaupt keinen Sinn!"
"Auch auf Kreuzfahrten braucht es Pfannen! Es gibt Essen nonstop! Darauf freu ich mich jetzt schon, futtern bis zum Pfefferminzblättchen, hahaa! Hoffe einfach, die tischen keine Pommes auf, da hätt ich Angst."
"Nur weil dir die Fritteuse explodiert ist..."
"Stell dir vor, das passiert dort auch!"
"Tja, dann präsentieren sie euch wohl Silvie Pannenfahrt mit einem Rettungsring."
"Die hat im Fall eine ganz schlanke Taille!"

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